Die Rote Armee
nähert sich am 30. April 1945 Berlin. Der KZ-Häftling Ross entkommt während
eines Bombenangriffs und flüchtet in das Haus eines gewissen Wilke, dessen
Adresse ihm ein Mithäftling genannt hatte. Dort trifft er jedoch nur auf Anna,
die ihm nach einigem Zögern Zuflucht für einen Tag gewährt.
Ross gibt sich der ihn suchenden SS-Streife – angeführt von Oberscharführer
Schmidt – als Wehrmachtsoffizier aus, nachdem Anna ihm eine Uniform gegeben
hat.
Ein mit Ross zusammen geflohener Häftling leugnet nach seiner Verhaftung,
diesen zu kennen und verübt Selbstmord, während die Nachricht von Hitlers Tod
allgemeine Verunsicherung, vor allem unter der SS verursacht.
Am nächsten Tag erscheint Schmidt in Zivil mit den Papieren eines KZ-Häftlings,
um sich der Roten Armee gegenüber als »Opfer« auszugeben. Es kommt zu einer
Auseinandersetzung zwischen Ross und Schmidt, die durch das Eintreffen eines
Trupps Rotarmisten unterbrochen wird. Schmidt verwickelt sich in Widersprüche
und wird schließlich als Täter erkannt und erschossen.
Währenddessen finden im Haus Plünderungen und Vergewaltigungen statt. Ross wird
abgeführt, kann aber den verantwortlichen Russen davon überzeugen, dass er kein
Wehrmachtsangehöriger, sondern ein KZ-Häftling ist, und wird entlassen. Er
kehrt zu Anna zurück – im Nebenzimmer wird ein Kind geboren.
Remarque bietet
mit seinem ersten und einzigen zu Lebzeiten aufgeführtem Theaterstück eine für
1956, dem Jahr der Uraufführung, neue und ungewöhnliche Sicht auf einen Gegner
im Kalten Krieg, der 1945 noch Befreier war: die Rote Armee. Er lässt den
Konflikt zwischen dem Ex-Häftling Ross und dem am Ende Ex-SS-Mann Schmidt von
einem Offizier der Roten Armee auf der Bühne lösen. Der Offizier entscheidet,
wer unter den Deutschen, die er vorfindet und die ihre Identität zu verstecken
suchen, schuldig geworden ist, während unten im Haus die den Erwartungen und
dem Bild des Publikums vom russischen Soldaten entsprechende Vergewaltigungen
und Plünderungen stattfinden. Schmidt verrät sich aber durch Widersprüche und »zu gute« Papiere und wird auf der Bühne von den Rotarmisten
erschossen.
Remarque zeichnet ein widersprüchliches Bild von den "Befreiern",
deren Gräuel bei der Eroberung Berlins eindeutig von den Verbrechen der
Deutschen Wehrmacht bei der Eroberung Russlands motiviert sind. Gleichzeitig
zeigt Remarque, dass die Deutschen selbst nicht in der Lage gewesen wären, sich
vom Nationalsozialismus zu befreien, sondern dass es hierzu der alliierten
Befreier, vor allem aber wohl der Roten Armee bedurfte.
Mit Die letzte Station brachte Remarque sein persönliches
Re-Education-Programm auf die Bühne. Wie auch die Romane Der Funke Leben, Zeit
zu leben und Zeit zu sterben und Der schwarze Obelisk war es ein Kommentar
zur Rehabilitierung der NS-Täter, der Adenauer-Restauration und zum Kalten Krieg.
Positionen, die nicht nur 1956, sondern auch heute noch genügend Anlass zur
Diskussion bieten.
In seiner Originalfassung wurde das Stück in Deutschland nur selten, in Mittel-
und Osteuropa dagegen bis heute mit großem Erfolg aufgeführt. Remarque selbst
arbeitete bis in die späten 1960er Jahre an seinem Stück, geplante
Broadway-Aufführungen kommen aber erst nach seinem Tod, 1973, zustande, und
zwar in einer Adaption von Peter Stone.
Für deutsche Bühnen jedoch erfuhr das Stück Ende der 70er Jahre durch Ludwig
Cremer eine neue Bearbeitung, die 1980 in seiner eigenen Inszenierung an der
Zürcher »Bühne 64« aufgeführt wurde. Durch die ersatzlose Streichung der
Rotarmisten ließ Cremer von den »Befreiern« nur noch das Klischee von
vergewaltigenden »Untermenschen« wirken – und verkehrte so Remarques Intention
in ihr Gegenteil.
Der Hunzinger-Verlag erwarb 1980 die alleinigen deutschsprachigen Rechte am
Stück, und zwar für die Cremer-Fassung, so dass heute lediglich die
Bearbeitung, nicht aber der Remarque-Text gespielt werden kann.
Erich Maria
Remarque. Berlin 45. Schauspiel in zwei Teilen. Paris: Martonplay, [1955/56]. Geheftet, 84 und 86 Seiten [Der
Druck unterscheidet sich von der späteren »Karlweiß«-Fassung
und diente vermutlich der Sicherung des copyrights
als originalsprachiger Erstdruck in Kleinstauflage. Das im Deutschen
Literaturarchiv Marbach verwahrte Typoskript mit eigenhändigen Korrekturen
Remarques ist mit diesem Druck identisch.] [R-C 1.130/001].
Die letzte
Station. Schauspiel in
zwei Teilen von Erich Maria Remarque. Berlin: Oscar Karlweiß,
[1956]. Broschur, 153 Seiten.- Unverkäufliches Bühnenmanuskript [Das als
unverkäufliches Bühnenmanuskript vervielfältigte Typoskript lag bereits zur
Uraufführung am 20. September 1956 am Berliner Renaissance-Theater vor und
druckt die dort gespielte, bis kurz vor der Premiere vom Autor überarbeitete
Fassung des Textes.] [R-A 1.13.001]
Die letzte
Station. Schauspiel in
zwei Teilen von Erich Maria Remarque. Bearbeitung Ludwig Cremer. [Bad Homburg]:
Stefani Hunzinger Bühnenverlag, o.J. [um 1960]. 71 Seiten.- Unverkäufliches
Bühnenmanuskript [Text folgt (als Kopie) mit geringfügigen Abweichungen dem
Karlweiß-Druck. Vorstufe zur endgültigen, von Ludwig Cremer bearbeiteten
Fassung.] [R-A 1.13.005].
Erich Maria
Remarque. Die letzte Station. (Theaterstück in zwei Teilen). Bad
Homburg: Stefani Hunzinger Bühnenverlag, o.J. 74 Seiten.- Unverkäufliches
Bühnenmanuskript [Text der von Ludwig Cremer bearbeiteten Fassung, allerdings
wird in diesem Druck nicht mehr auf die umfassende Bearbeitung und die zum Teil
gravierenden textlichen Änderungen hingewiesen.] [R-A 1.13.005].
The Last Station by Erich Maria Remarque adaption by
Peter Stone. New York: Sigma Productions, 1973. 160 Seiten.- Unverkäufliches
Bühnenmanuskript [Als Bühnenmanuskript vervielfältigte Überarbeitung, die Stone
noch in Zusammenarbeit mit Remarque in den 1960er Jahren begann, jedoch erst
zur Erstaufführung dieser Fassung am New Yorker ANTA-Theatre
(07.11.1973) fertigstellte.] [R-C 1.128/001, R-A 1.13.002/1].
Full Circle. A Play by Erich Maria
Remarque. As adapted by Peter Stone. New York: Harcourt Brace Jovanovich
Inc., 1974 (Harvest Book 282). viii, 116 Seiten [Der
Erstaufführung folgender Druck der Stone-Bearbeitung.]
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»Ebenso
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