Kurz
nach dem Erscheinen von Im
Westen nichts Neues begann unter der Regie von Lewis Milestone,
der 1948 auch Arc de Triomphe
inszenieren sollte, in den USA die Verfilmung des Erfolgsbuches. Die Hauptrolle
des Bäumer wurde von Lew Ayres gespielt. Hier ist das französische Filmplakat
von 1930 abgebildet.
Am
11. Dezember 1930, nicht einmal eine Woche nach der deutschen Erstaufführung,
verbot die Film-Oberprüfstelle Berlin alle weiteren Aufführungen von Im
Westen nichts Neues für ganz Deutschland. Das Protokoll der Verhandlung,
die zum Verbote des Filmes führte, hat das Deutsche
Institut für Filmkunde Frankfurt im Internet publiziert. Auf seinen
Seiten wird außerdem die Geschichte der Filmzensur der Weimarer Republik und
der frühen Nationalsozialistischen Diktatur erläutert und es können zahlreiche
weitere Zensurgutachten nachgelesen werden.
All Quiet on the Western Front
(Im Westen nichts Neues)
nach Erich Maria Remarques Roman Im
Westen nichts Neues (1928/29)
USA
1930; Universal Pictures
Originallänge: 140 Min., schwarz/weiß mit teilweise eingefärbtem
Filmmaterial
(Es wurde auch eine etwas längere stumme Version mit Zwischentiteln
angefertigt)
Regie: Lewis Milestone; Dialogregie: George Cukor; Produktion:
Carl Laemmle jr.; Buch: Maxwell Anderson, George Abbott, Del Andrews,
Lewis Milestone; Kamera: Arthur Edeson; Schnitt:
Edgar Adams, Milton Carruth; Musik: David Brockman
Darsteller: Lew Ayres (Paul Bäumer), Louis Wolheim
(Katczinsky), John Wray
(Himmelstoß), Raymond Griffith (Gerard Duval), George Summerville
(Tjaden), Russell Gleason (Müller), William Bakewell
(Albert), Beryl Mercer (Mutter Bäumer, zunächst
wurden die Szenen mit ZaSu Pitts in dieser Rolle
gedreht), Yola d’Avril
(Suzanne), Harold Goodwin (Detering), Walter Browne Rogers (Behm), Owen Davis
Jr. (Peter), Scott Kolk (Leer), Ben Alexander (Kemmerich), Edwin Maxwell (Herr
Bäumer), Marion Clayton (Erna), Richard Alexander (Westhus),
Pat Collins (Lt. Bertinck), Arnold Lucy (Kantorek), Bill Irving (Ginger), Renee Darmonde,
Poupee Andriot
(französische Mädchen), Edmund Breese (Herr Meyer), Heinie Conklin (Hammacher),
Bertha Mann (Schwester Libertine), Bodil Rosing (Franz Wachter)
Erstaufführung:
Los Angeles, 20. April 1930
Deutsche Erstaufführung: Berlin, 4. Dezember 1930
Rekonstruktionen:
1. Zweites Deutsches Fernsehen 1984. Redaktion Jürgen Labenski.
Länge ca. 135 Min. Erstaufführung: 18. November 1984
2. NL 1. Länge ca. 135 Min. Erstaufführung: 6. November 1993
3. Westdeutscher Rundfunk 1995. Redaktion Walter Maus. Länge 135 Min.
Erstaufführung: 3. Oktober 1995
Von der kollektiven Kriegsbegeisterung
angesteckt, meldet sich eine Abiturklasse geschlossen freiwillig zum Militär.
Vom zum Menschenschinder verwandelten ehemaligen Briefträger Himmelstoß werden
sie, unter ihnen Paul Bäumer, bis zur völligen Erschöpfung während der
Ausbildung schikaniert. Ein Rotkreuzzug voller Verwundeter am Bahnhof des
ersten Einsatzgebietes, der erste Angriff, der erste Tote unter ihnen, Hunger,
Nässe und Unbequemlichkeiten verdeutlichen ihnen sehr schnell den Ernst des
Krieges. In den erfahrenen Soldaten Katczinsky
("Kat") und Tjaden finden sie Kameraden, die ihnen überlebenswichtige
Ratschläge geben. Dennoch sterben bereits in den ersten Gefechten einige der
jungen Soldaten und bald ist die Hälfte der Kompanie gefallen. Der Mitschüler
Kemmerich, dem die Beine amputiert wurden, stirbt im Lazarett. Seine guten
Stiefel wechseln ständig den Besitzer, die ebenfalls fallen. Paul Bäumer wird
bei einem Artillerieangriff der Franzosen zuerst auf einen Friedhof, dann in
einen Granattrichter getrieben. Hier ersticht er einen Franzosen und erkennt,
dass er nicht den Feind, sondern den Menschen Duval getötet hat. Mit
französischen Mädchen "tauschen" die jungen Soldaten Brot und Wurst
gegen "Liebe". Kurz darauf wird Paul verletzt und kommt in ein
Lazarett. Als einziger schafft er es, aus dem Sterbezimmer wieder
herauszukommen. Auf Heimaturlaub besucht er seine Familie und stellt fest, dass
er mit ihr und seinem alten Lehrer nichts mehr gemein hat. Wieder an der Front,
stößt er auf noch jüngere Soldaten, die als Kanonenfutter in den Kampf
geschickt werden. Bei einem 'Spaziergang' mit Kat wird dieser verwundet und
stirbt bald darauf. Paul beobachtet während einer Feuerpause einen
Schmetterling und greift nach ihm. Dabei wird er von einem Franzosen
erschossen. Der Heeresbericht meldet, von der Westfront sein nicht Neues zu
berichten.
Im August 1929 fuhr der Chef der
amerikanischen Filmgesellschaft UNIVERSAL INTERNATIONAL PICTURES, der gebürtige
Schwabe Carl Laemmle, wie jedes Jahr einmal in seine alte Heimat nach
Deutschland, um dort einen geeigneten Stoff für eine Verfilmung zu suchen. In
diesem Jahr war er von dem Literaturagenten Otto Klement auf den sensationellen
Erfolg des ersten deutschen Bestsellers eines bis dahin vollkommen unbekannten
Autors hingewiesen worden. Der Roman Im Westen nichts Neues von
Erich Maria Remarque war nach dem Vorabdruck im November und Dezember 1928 in
der Vossischen Zeitung im Januar 1929 erstmals als
Buchausgabe erschienen und hatte sich bis Ende des Jahres in über 50 Auflagen
900.000 mal verkauft. Bis Mitte 1930 stieg die Zahl der in Deutschland
verkauften Exemplare auf über eine Million und Ende 1930 war das Buch in 12
Sprachen übersetzt und weltweit über 3,5 Millionen Mal verkauft worden. Die
Verhandlungen von Laemmle und Remarque verliefen erfolgreich, und auch der Film
wurde zunächst in den USA und dann weltweit ein Kassenschlager. Nach der
Premiere im April 1930 in New York lief der Film 23 Wochen lang in täglich fünf
Vorstellungen im „Central Theatre“. „Nach fast einem
halben Jahr (!) [wurde er] in den Spielplan des ‘Roxy Theatre’
übernommen, in die ‘Kathedrale des Films’, mit 6200 Plätzen größtes Kino der
Welt“ . Produzent des Films war Carl Laemmle sen., die
Produktionsleitung übernahm Carl Laemmle jun., als Regisseur wurde der
35jährige, in Russland geborene Lewis Milestone verpflichtet. Für die
Hauptrolle versuchte Laemmle Erich Maria Remarque zu gewinnen, der jedoch
ablehnte, u.a. weil er sich für die Rolle des Paul Bäumers zu alt fühlte.
Schließlich wurde nach umfangreichen Vorauswahlen der 1908 geborene Lew Ayres
engagiert, der bis dahin keine größeren Rollen gespielt hatte und auf keinen
„Typ“ und kein Genre festgelegt war. Der gutaussehende, sensible und vor allem
unbekannte Ayres eignete sich hervorragend als Darsteller eines Jedermanns, des
„unbekannten Soldaten“, in dessen Schicksal sich Generationen von jungen
Männern hineinversetzen konnten. Für die Rolle der Mutter wurde in der
Stummfilmversion zunächst ZaSu Pitts eingestellt,
deren Darstellung rief beim Publikum jedoch nur Gelächter hervor, da sie als
Komödienstar bekannt war. Alle Szenen mit der Mutter wurden für die Tonversion
mit Beryl Mercer noch einmal aufgenommen. Gedreht
wurde in Hollywood. Auf dem Gelände von UNIVERSAL INTERNATIONAL PICTURES
entstand der Nachbau eines deutschen Kasernenhofes und in der nahen Umgebung
von Hollywood wurde ein riesiges Ackerland in ein Schlachtfeld umgewandelt, mit
„original“ Schützengräben und Bombentrichtern. Eingesetzt wurden 150 Statisten
und die Schauspieler mussten sich, als wären sie wirklich Rekruten, einem
militärischen Drill unterwerfen.
Als Laemmle mit dem unterschriebenen
Vertrag in New York ankam, wurde er von Reportern auf die kontroverse
Diskussion um das Buch Im Westen nichts Neues im Deutschen Reich
angesprochen. Auf die Frage, ob denn nicht auch der Film eine solche
Kontroverse auslösen könnte antwortete Laemmle selbstbewusst:
Der Film Im Westen nichts Neues
wurde ein großer Film. Er ist der Anti-Kriegsfilm und wirkt bis heute für das
Genre stilbildend. Die Chronologie von Einzug oder freiwilliger Meldung der Rekruten,
deren Ausbildung und anschließendem Kriegseinsatz, evtl. unterbrochen von
Aufenthalten an der Heimatfront, gilt auch noch in den 80er und 90er Jahren für
den Aufbau von Anti-Kriegsfilmen. So folgt u.a. Peter Weir 1981 diesem Schema
mit seinem Film Gallipoli über den Einsatz australischer und
neuseeländischer Soldaten im Ersten Weltkrieg. Einerseits ist es der
herausragenden Regieleistung von Lewis Milestone zu verdanken, der eine
künstlerisch innovative, eindrucksvolle und trotzdem authentische Verfilmung
von Remarques gleichnamigen Roman realisierte, daß Im
Westen nichts Neues zu einem Filmklassiker wurde. Der Film gewann zwei academy awards (Oscars), als
bester Film des Jahres und für die beste Regie. Mit der neu entwickelten
Filmtechnologie, dem Tonfilm und beweglichen Kameras realisiert, schuf
Milestone noch nicht dagewesene eindrückliche Bilder vom Krieg. Das Publikum
wurde durch Kamerafahrten über Schützengräben und Schlachtfelder, durch das
ohrenbetäubende Geheul der Granaten und das Donnern der Bombeneinschläge, durch
die wohl kalkuliert eingesetzte Musik derart von der Geschichte des
Schüler-Rekruten Paul Bäumer und seiner Freunde gebannt, dass viele das
Gesehene als überaus authentisch und realitätsgetreu auffassten.
Der American (New
York) berichtete, daß der Film vor einem Publikum
gezeigt wurde, das „durch die erstaunliche Kraft eines sachlichen,
schrecklichen Dramas gebannt war“. Die New York Times stimmte zu, dass die
Zuschauer vor den „realistischen Szenen verstummten“. „Es ist der bei weitem
beste Spielfilm, der je gedreht wurde... ob Ton- oder Stummfilm“, stellte der
Telegraph (New York) fest. Im Westen nichts Neues prägte die
Vorstellungen vom Ersten Weltkrieg, wie auch schon sein amerikanischer
Vorläufer The Big Parade von King Vidor (1925)
oder der ebenfalls 1930 gedrehte deutsche Film Westfront 1918 von G.W.
Pabst (1930). Diese Filme, und allen voran die technisch herausragende
Remarque-Verfilmung, prägen bis heute die Vorstellungen, die wir uns von diesem
Krieg machen.
Remarque und
Milestone wurden häufig gefragt, wie sie so genaue Bilder vom Krieg entwerfen
konnten, obwohl sie selbst nur kurz oder gar nicht an diesem oder einem anderen
Krieg teilgenommen hatten. Im Auftrag seines Verlages, der ihn als „unbekannten
Soldaten“ des Ersten Weltkrieges vermarktete, musste Remarque zunächst die
Tatsache verschweigen, dass er nach seiner Verlegung an die Westfront Mitte
Juni zwar sechs Wochen an der Artillerievorbereitung beteiligt war und aber
schon an den ersten Tagen seines Fronteinsatzes, am 31. Juli 1917, in Belgien
verwundet wurde. Den Rest des Krieges verbrachte er in einem Lazarett in
Duisburg. Doch neben seiner kurzen Kriegsteilnahme hat Remarque im Lazarett
Verwundete nach ihren Erlebnissen gefragt und Briefe an seine Kriegskameraden
geschrieben, um zu erfahren, wie das Leben an der Front in den letzten
Kriegsjahren sei. Milestone dagegen gab als Erfahrungshintergrund seine
Tätigkeit bei der Photographie-Abteilung der U.S. Army
an. 1917, als die USA in den Krieg eintraten, hatte er sich für diese Tätigkeit
gemeldet und arbeitete u.a. in den Filmlabors am War College in Washington,
D.C. Später sagte er in einem Interview: „Ich [hatte] Tausende Meter aktueller
Kriegsbilder untersucht, ich wußte genau, wie es
aussehen mußte.“ Zudem hat Milestone sich für
die Filmarbeiten einen Stab an Beratern, u.a. ehemalige deutsche Militärs,
geholt, die ihn in allen Details berieten, vom Wechsel von der Pickelhaube zum
praktischeren Stahlhelm, der richtigen Verwendung von Rangabzeichen bis hin zu
militärisch korrekten Bewegungsabläufen beim Grüßen. 1914-18 war es unmöglich,
Filmaufnahmen von den Kämpfen an der Front zu machen, die Kameras waren noch zu
groß und zu schwer und die Filmteams mit ihnen zu unbeweglich. Es gibt daher
von der Front des Ersten Weltkriegs nur Photographien, wenn überhaupt, da die
Militärzensur keine Aufnahmen von der vielleicht zu erschreckenden Realität
wünschte und außerdem in ständiger Angst vor feindlicher Spionage war.
Filmaufnahmen wurden lediglich im Hinterland, von den Feldlazaretten,
Feldküchen, den Nachschub-, Verletzten- und Versorgungstransporten gemacht. Die
Aufnahmen der Kampfszenen aus Im Westen nichts Neues wurden daher später
häufig für sogenannte Kompilationsfilme über den Ersten Weltkrieg verwandt,
also in Berichten mit Dokumentarcharakter, und trugen auch auf diese Art dazu
bei, unser Bild von diesem Krieg zu prägen.
Andererseits wurde Im Westen nichts
Neues nicht nur durch seinen kommerziellen Erfolg und seine filmische
Brillanz zu dem Anti-Kriegsfilm schlechthin. Der Film war seit seiner
Entstehung Gegenstand zahlreicher Zensurmaßnahmen, angefangen von der Vorzensur
des gerade gedrehten Materials durch die freiwillige amerikanische Filmzensur,
über die weitere Beschneidung des Filmes für die verschiedenen Spielländer,
insbesondere des deutschen Marktes, bis hin zu unzähligen veränderten und
gekürzten Fassungen im Laufe der folgenden Jahrzehnte.
Die von Milestone
gedrehte Originalfassung war 150 Minuten lang, für die amerikanischen Kinos
wurde jedoch eine Version mit 140 Minuten freigegeben. Die „fehlenden“ 10
Minuten fielen der amerikanischen Zensurbehörde, der MOTION PICTURES
ASSOCIATION OF AMERICA zum Opfer (bzw. deren Vorläufer, da die MPAA, das
sogenannte Hays-Office erst ab 1932 offiziell in Erscheinung trat). Die MPAA
war ein freiwilliger Zusammenschluss der amerikanischen Filmindustrie mit Diktionsanspruch und -recht. Sie hatte es sich zur Aufgabe
gemacht, erstens den Geschmack des (amerikanischen) Volkes zu wahren, also
moralischen oder religiösen Auffassungen „der Amerikaner“ zu entsprechen, und
zweitens als diplomatischer Puffer zu agieren und so als
„Marktanalyseinstrument“, den Erfolg oder Misserfolg eines Filmes vorhersehen
zu können.Im Falle der Verfilmung von Im Westen
nichts Neues nimmt die MPAA die politischen und moralischen Angriffe auf
die UNIVERSAL-Studios nach der Freigabe des Filmes vorweg. Was den ersten, noch
während der Entstehung des Films vorgenommenen Kürzungen zum Opfer fiel, ist
nicht bekannt. Für die deutsche Synchronfassung schnitt UNIVERSAL INTERNATIONAL
PICTURES freiwillig einige Szenen heraus, von denen angenommen wurde, daß die deutsche Filmzensur, die Film-Oberprüfstelle in
Berlin, sie beanstanden würde. Geschnitten wurden u.a. Szenen, in denen die
Rekruten ihren Vorgesetzten, den sadistischen Unteroffizier Himmelstoß
verprügeln, Teile des Gesprächs, in dem die Soldaten dem Kaiser die Schuld am
Krieg geben und die Weitergabe der Stiefel eines toten Kameraden, in denen dann
eine ganze Reihe von Soldaten stirbt. Schon während der Dreharbeiten wurden vom
deutschen Konsul von Henting in Los Angeles und
später von der Film-Oberprüfstelle in Berlin die sogenannten Schleiferszenen bemängelt.
Der Film
passierte am 21.11.1930 die deutsche Filmzensur und erhielt die Aufführgenehmigung.
Öffentlich lief Im Westen nichts Neues in Deutschland erstmals am
05.12.1930 im Mozart-Saal am Berliner Nollendorfplatz. Sechs Tage später, am
11.12.1930 wurde er verboten. Während der ersten Vorstellungen kam es zu
Schlägereien, es wurden Stinkbomben gezündet und weiße Mäuse losgelassen, doch
dies waren nicht spontane Unmutsbekundungen einer allgemeinen, durch den Film
in Aufruhr versetzten Öffentlichkeit, sondern gezielte Störmaßnahmen der
Nationalsozialisten mit dem Ziel, die Vorführung von Im Westen nichts Neues
zu verhindern. Am 07, 08. und 09.12.1930 demonstrierten ca. 6.000
Nationalsozialisten auf dem Nollendorfplatz und Goebbels hielt eine Rede gegen
den Film. Der Antrag auf Widerruf der erst Ende November erteilten
Aufführungserlaubnis wurde mit der Begründung gestellt, dass der Film das
deutsche Ansehen und die öffentliche Ordnung gefährde und er eine
entsittlichende und verrohende Wirkung habe. Antragsteller waren die
Regierungen von Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Bayern und Württemberg, alles
Länder, in denen der Film zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht gelaufen
war. Doch zunächst kam es in Berlin am 10.12.1930 zu einem Verbot der Proteste
durch den Innenminister Severing und den
Polizeipräsidenten Grzesinski. In einer Debatte im
preußischen Landtag vom 11.12.1930, also dem gleichen Tag, als das Verbot
erlassen wurde, befürwortete die Berliner Regierung die Aufführung des Filmes
und erklärte, dass weder die deutsche noch die amerikanische Fassung eine
anti-deutsche Hetze darstellten. Gegner und Befürworter des Films standen sich
gegenüber, die politische Rechte aus national Gesinnten und Nationalsozialisten
auf der einen Seite, auf der anderen Seite Liberale und die politische Linke
(trotzdem vor allem die Kommunisten in der Remarque-Verfilmung wie auch im Buch
das klassenbewusste Moment vermißten). Die
Produktionsfirma UNIVERSAL INTERNATIONAL PICTURES ließ während der Verhandlung
der Film-Oberprüfstelle erklären, dass sie den Film unabhängig von deren
Entscheidung aus Deutschland zurückziehen würde. Diese Erklärung war der
Versuch, den deutschen Markt, der für UNIVERSAL der größte in Europa
darstellte, nicht zu verlieren. In der Begründung des Verbots von Im Westen
nichts Neues heißt es:
Zentral bei der Entscheidungsfindung war
die Tatsache, daß der Film einmal in einer
amerikanischen Fassung und dann in einer „für den deutschen Gebrauch
zurechtgestutzten“ Fassung existierte. Jürgen Labenski,
der 1984 eine Rekonstruktion der amerikanischen Originalfassung im Auftrag des
ZWEITEN DEUTSCHEN FERNSEHEN anfertigte, nennt als Kürzung für die deutschen
Vorführungen außerdem den Schnitt des gesamten Vorspanns, in dem zahlreiche
Namen jüdischer Mitarbeiter genannte werden. Der Filmwissenschaftler
Werner Skrentny geht von der Kürzung von zwei
weiteren Szenen für den deutschen Markt aus: Das Gespräch der
Stammtisch-Strategen, die besser als die Soldaten an der Front wissen, wie der
Krieg zu gewinnen sei, und die Verweigerung der Ehrbezeugung, als Paul Bäumer
in der Klasse seines ehemaligen Lehrers vom heldenhaften Sterben an der Front
berichten soll.
Die Entscheidung
der Film-Oberprüfstelle wurde von der politischen Linken kritisiert und Ende
1931 konnte eine zeitweilige Aufhebung des Verbots erreicht werden. Die
Bedingung zur Wiederzulassung, zu der UNIVERSAL INTERNATIONAL PICTURES sich
bereit erklärte, war, drei weitere Szenen herauszunehmen: Himmelstoß’ Feigheit
an der Front, Pauls Panik während des Angriffs auf dem Friedhof und sein
Schuldbewusstsein nach der Tötung des französischen Soldaten Duval. In ihrem
Wunsch, Deutschland nicht als wichtiges Exportland zu verlieren, stimmte
UNIVERSAL INTERNATIONAL PICTURES sogar zu, nur noch den massiv gekürzten Film
für die Aufführungen in allen Exportländern zu vergeben. Die Zuschauer in
vielen Ländern sahen also nicht Milestones Film von 1930, sondern das Produkt
nationalsozialistischer Propaganda und deutscher Zensoren von 1931. Das Verbot
von Im Westen nichts Neues setzte schon Jahre vor der „Machtergreifung“
ein weltweit Aufsehen erregendes Zeichen der Niederlage der Weimarer Demokratie
gegenüber dem Nationalsozialismus.
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Westen nichts Neues nach dem gleichnamigen Bestsellerroman von Erich Maria
Remarque«. Erich Maria Remarque Jahrbuch/ Yearbook 3 (1993), 45–72.
Heiko Hartleif. »Das
Verbot des Remarque-Films ›Im Westen nichts Neues‹«. Geschichte in
Wissenschaft und Unterricht 44 (1993), 5, 323–330.
Heiko Hartleif.
»Filmzensur in der Weimarer Republik. Zum Verbot des Remarque-Films Im
Westen nichts Neues. Eine Fallanalyse im Geschichtsunterricht der
gymnasialen Oberstufe«. Erich Maria Remarque Jahrbuch/Yearbook 3 (1993),
73–82.
Wilfried Schnabel. Die mediale Verarbeitung
von Geschichte als Gegenstand öffentlicher Kontroversen. Die Auseinandersetzung
um die Verfilmung des Romans »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque
(Regie: L. Milestone) während der Endphase der Weimarer Republik. Eine
Unterrichtsreihe in einem Leistungskurs der Jahrgangsstufe 12. Gummersbach:
Studienseminar für das Lehramt für die Sekundarstufe II [Schriftliche
Hausarbeit], 1999, [masch.] ca. 130 pp.
Wilfried Schnabel. »Die Romanverfilmung Im
Westen nichts Neues. Eine Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe II mit
einem Archivbesuch zur Erarbeitung der Hintergründe und Motive des von den
Nationalsozialisten 1930 provozierten Filmskandals«. Erich Maria Remarque
Jahrbuch/Yearbook 10 (2000), 76–105.
Peter Dörp. »Medien: spezial – Erich Maria Remarque: ›Im Westen nichts Neues‹
(Teil 2). Goebbels und Bronnen. Dokumente zum Kinoskandal im Dezember 1930«. Deutschunterricht
56 (2003), 6, 40–46.
Karolina Dybalska. »Der Übersetzer als Zensor. Zur Filmzensur in Deutschland und ihrer Einflussnahme
auf das Übersetzungsgeschehen
am Beispiel der Remarque-Verfilmung ›Im Westen nichts Neues‹«. Convivium (2005), 107–139.
Michael
Kopetzky-Tutschek. Die Debatte
über den Film »Im Westen nichts
Neues« 1930/31 in Österreich.
München: GRIN
[Seminararbeit, Internetveröffentlichung], 2007, 40 pp.
Peter Dörp.
»Berliner Mauerbau stoppt Filmvorführung von Im Westen nichts
Neues im Grenzkino ›City‹ am Checkpoint
Charlie«. Erich Maria Remarque-Jahrbuch/Yearbook 18 (2008), 33–50.
David Imhoof.
»Culture Wars and the Local Screen. The Reception of Westfront 1918 and All Quiet on the
Western Front in one German city«. Peter C. Rollins, John E. O’Connor (eds.). Why We Fought. America’s Wars in Film
and History. Lexington/KY: University
Press of Kentucky, 2008, 175–195.
Luxembourg
Paul Lesch. »›Rien dans ce film n’est de nature à choquer les sentiments de quiconque
est adversaire de la
guerre, de ses horreurs, de
sa barbarie et de son retour‹. La réception au
Luxembourg des adaptations cinématographiques
de Im Westen nichts Neues et de Der Weg zurück au cours des années 30«. Erich Maria Remarque Jahrbuch/Yearbook 14 (2004), 10–33.
Spanien/Spain
Susana Cañuelo
Sarríon. Sin novedad en el frente. Recepcíon
en España de la novela de
Erich Maria Remarque y de la película
de Lewis Milestone. Barcelona [Magisterarbeit], 2000, [masch.]
53 + 36 pp.
Susana Cañuelo
Sarríon. »Die Rezeption von Im Westen nichts Neues und All Quiet on the
Western Front in Spanien«. Erich Maria Remarque Jahrbuch/Yearbook 11
(2001), 47–70.