Arc
de Triomphe war Remarques größter Erfolg nach Im Westen nichts Neues.
In dem 1945 erschienenen Roman schildert er das Schicksal Dr. Ravics, der vor den Nazis ins Pariser Exil geflohen ist. Ravic muss sich an einem SS-Schergen rächen, der ihn
gefoltert und seine Freundin ermordet hat. 1948 wurde der Roman von Lewis
Milestone, dem Regisseur von Im
Westen nichts Neues, mit großem Erfolg verfilmt.
Berichtet wird das Exilschicksal des Arztes
Ravic, der in Wirklichkeit Ludwig Fresenburg
heißt. Nachdem er aus dem KZ geflohen ist, emigriert er nach Frankreich und
taucht in Paris in einem heruntergekommenen Emigrantenhotel unter. Ravic erlebt dort die kurze Zeitspanne von November 1938
bis zum Vorabend des Zweiten Weltkrieges im September 1939.
Durch seine Erlebnisse als Soldat im Ersten Weltkrieg und seine unmenschlichen
KZ-Erfahrungen erahnt Ravic bereits die
zerstörerische Kraft des erstarkenden Faschismus. Mit dieser Vorbelastung
versucht er als Exilant ohne Pass, ohne Identität und ohne Rechte in Paris zu
überleben. Ravic schottet sich von der Welt ab,
trinkt und verdrängt seine Vergangenheit.
Sein Leben ist geprägt durch die Liebe zu zwei verschiedenen Frauen, von denen
er die erste im KZ verlor. Durch grausame Folter wurde seine über alles
geliebte Sybil in den Selbstmord getrieben. Auch einige Zeit später, im Exil in
Paris, leidet Ravic noch sehr unter dem Gefühl, dass
er ihr nicht mehr helfen konnte.
In einem Pariser Café trifft er zu seinem Entsetzen Sybils Peiniger, den
Gestapoagenten Haake wieder. Für Ravic verkörpert
dieser zugleich das unmenschliche Regime und die persönliche Schuld des
Einzelnen, denn Haake dient dem Faschismus und hat mit eigenen Händen Sybils
Tod verursacht.
Ravic verspürt großen Hass gegenüber Haake und trachtet
nach Rache. Aus der Überzeugung die Macht der Nazis könne nur wachsen, wenn
alle sie durch Wegsehen unterstützen, sieht Ravic
Haakes Tod als Anfang zu einer humaneren Gesellschaft. Er tötet den
Gestapoagenten und befreit sich damit selbst aus der Apathie. Das Trauma des
Todes seiner Frau ist vorüber und Ravic wird wieder
zum Menschen.
Neben dem Exilschicksal steht die ungewöhnliche Liebesbeziehung zwischen Ravic und seiner zweiten großen Liebe, der Schauspielerin
Joan Madou. Beide begegnen sich am Ufer der Seine,
als Ravic Joans Selbstmordversuch verhindert. Von da
an findet Ravic in der gemeinsamen Zeit mit Joan
große Erfüllung. Sie schenkt ihm viele gemeinsame, beschwörende und sehr intime
Stunden in Bars und Hotels, wo sich beide mit viel Alkohol eine Welt der
Illusionen schaffen.
Doch da Ravic Joan durch seinen Exil-Status ein
bürgerliches Zusammenleben nicht bieten kann, verliert er sie. Daraufhin sucht
Joan sich einen anderen Partner, der sie später aus Eifersucht erschießt.
Trotz aller vorherigen Versuche, seinem Schicksal als Exilant zu entgehen,
stellt Ravic sich schließlich der Deportation in ein
französisches Internierungslager, um seine Würde zu behalten. Vor dem
Abtransport verabredet er sich jedoch für das Kriegsende mit seinem Freund Morosow in ihrem gemeinsamen Lieblingsrestaurant. Dieser
Zukunftsausblick auf ein Leben nach dem Krieg zeugt von einem Rest Hoffnung und
von neuer Kraft zum Widerstand.
Er dachte an sie, und der Ring und der Krampf und der Nebel
waren plötzlich nicht mehr da. Etwas war gelöst, eine Barrikade war weggeräumt,
das starre Bild des Entsetzens begann sich zu bewegen, es war nicht mehr
festgefroren, wie all die Jahre. Der verzerrte Mund fing an, sich zu schließen,
die Augen verloren ihre Starrheit, und sanft kehrte das Blut in das kalkweiße
Gesicht zurück. Es war nicht mehr eine starre Maske der Furcht – es wurde
wieder Sybil, die er kannte, die mit ihm gelebt hatte, deren zärtliche Brüste
er gefühlt hatte, und die durch zwei Jahre seines Lebens geweht war wie ein
Juniabend.
Tage stiegen auf – Abende – wie ein fernes, vergessenes
Feuerzeug plötzlich hinter dem Horizont. Eine verklemmte, verschlossene,
blutüberkrustete Tür in seiner Vergangenheit öffnete sich auf einmal leicht und
lautlos, und ein Garten war wieder dahinter, und nicht ein Gestapokeller.
(Kapitel XXX)
Es war alles gut. Das, was gewesen war, und das, was kam. Es war
genug. Wenn es das Ende sein würde, so war es gut. Er hatte einen Menschen geliebt
und ihn verloren. Er hatte einen andern gehaßt und
ihn getötet. Beide hatten ihn befreit. Der eine hatte sein Gefühl wieder aufbrechen lassen, der andere
seine Vergangenheit ausgelöscht. Es war nichts zurückgeblieben, was unerfüllt
war. Es war kein Wunsch mehr da; kein Haß und keine
Klage. Wenn es ein neues Beginnen war, so war es das. Ohne Erwartung, auf
Vieles gefaßt, mit der einfachen Kraft der Erfahrung,
die gestärkt und nicht zerrissen war, würde man anfangen. Die Aschen waren
ausgeräumt, paralysierte Stellen lebten wieder, aus Zynismus war Stärke
geworden. Es war gut. (Kapitel XXXII)
Arc
de Triomphe war nach Im Westen nichts Neues der zweite Welterfolg
Remarques und avancierte schnell zum Bestseller. Schon 1945 erschien der Roman
in den USA und wurde prompt zum »Book of the month«. Arc
de Triomphe war im deutschsprachigen Raum der erste veröffentlichte Roman Remarques
nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 wurde er im Schweizer Verlag Micha
veröffentlicht, stand jedoch von Anfang an unter einem schlechten Stern. Denn
schon 1951/52 drohte dem Verlag der Konkurs, so dass es Arc
de Triomphe nur kurze Zeit als reguläre Ausgabe in den Buchläden gab.
Bereits 1948 wurden große Buchmengen zu Tiefstpreisen verschleudert, was dem
Roman dauerhaft schaden sollte.
Es folgte ein Vertrag mit dem Berner Verlag Scherz, der jedoch wegen der
Ablehnung eines anderen Romans von Remarque schon 1951 wieder aufgelöst wurde.
1952 schloss Remarque ein Abkommen mit dem Münchner Verlag Desch, doch der
schleppende Verkauf des Romans sollte wegen der vorherigen Verramschung
sein Schicksal bleiben.
Obwohl in Arc de Triomphe das Bild der
Franzosen positiv gezeichnet ist (zum Beispiel anhand der Figur der Wirtin des
Hotels Verdun), wurde der Roman in Frankreich kein Erfolg. Die Erstübersetzung
von 1947 geriet in Vergessenheit, doch Neuauflagen seit 1996 verweisen auf eine
intensivere Beschäftigung mit dem Werk Remarques.
Insgesamt kam also die größte Begeisterung über den Roman Arc
de Triomphe aus den USA. Dort wurde er als zeitpolitischer Roman einerseits
und als fabelhafte Liebesgeschichte andererseits gefeiert. Letzteres verhalf
ihm laut Kritikern zu der überragenden Popularität. Spannung, Leidenschaft und
Radikalität des Romans begeisterten viele amerikanische Leser und ließ sie sich
die Frage stellen, ob der Einzelne in Zeiten ohne Gesetze ein Recht auf Notwehr
hat.
Remarque beschreibt eindrucksvoll die Unterdrückung und die Verfolgung als
Exilant und ruft zum Aufstand gegen den Terror der Machthaber auf. Als Zeichen
der Macht und des männlichen Stolzes setzt Remarque den Triumphbogen. Dieser steht
für ihn im Dienste von Besiegten und Toten, von Leid und Schmerz. Das Denkmal
pervertiert somit die grausamen Kriegsaggressionen.
Kritik an Arc de Triomphe wurde nur
vereinzelt laut. Bemängelt wurde darin die Tatsache, dass der Held Ravic als Einzelkämpfer auftritt und nicht gemeinschaftlich
und organisiert gegen die Bedrohung vorgeht. Jedoch wollte Remarque ja gerade
den Widerstand des Individuums in einer Zeit, in der jede Stimme zählt,
darstellen. Und aus dieser Überzeugung heraus, greift Remarque Ravic als Figur im späteren Roman Zeit zu leben und Zeit
zu sterben unter seinem wahren Namen wieder auf.
Ravics Schicksal behält auch heute noch seine
Aktualität. In einer Zeit, in der man ohne Papiere und Aufenthaltsgenehmigung
als Illegaler gesucht wird und deshalb Ausbeutung und Abschiebung ausgeliefert
ist, erhält der Roman Arc de Triomphe
neue Bedeutung.
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Erstausgabe mit Anhang und einem Nachwort herausgegeben von Thomas F.
Schneider. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2017 (KiWi 1576), 669–692.
Rezeption/Reception
Maria Grzęda-Świerczewska.
Die Rezeption des »Arc de Triomphe« von Erich
Maria Remarque (mit besonderer Berücksichtigung von Polen). Warschau:
Universität [Magisterarbeit], 2005, [masch.] 65 pp.